19. Okt. Jaisalmer

Inhaltsverzeichnis
Vorheriger post

19.Okt. Jaisalmer
Mein GH Vater hatte mir noch gestern abend angeboten mich zum Bahnhof zu bringen.  Früh ist die einzige Zeit, wo die Temperaturen kühl, heißt nur 25Grad haben. Der Wüstenzug ist nur 1/4 belegt. Jaisalmer  liegt 330km von hier und dort endet auch das Schienennetz.
Wenn im Bus "Sleeper" schon ein besonderer Komfort bedeutet, ist "sleeper"das bei der indischen Bahn die einfachste Klasse. Heißt offiziell Hardsleeper und das sagt schon alles über die Sitze...





Die Bahnstrecke durch die Wüste wird, wenn ich richtig gezählt habe, nur von 4 Zügen  pro Tag befahren und auf der kurvenfreien Trasse schafft selbst die Diesellok etwas über 100km/h . Trotzdem sind wir 9h unterwegs. Aus unerklärlichem Grund hält der Lokführer auf  der Strecke 2x an,   um nach 1,5h -als alle unter der Mittagshitze stöhnen, seine Fahrt fortzusetzen. 
Als der Schaffner kommt,  fragt mich, ob ich Gerold sei. Als ich bestätige, will er nicht mal meine Fahr/Platzkarte sehen. Das ist also das Ergebnis meines  mühsam ausgefüllten Ticket- Formulars von gestern.

Meist stehen nur vereinzelt paar Häuser an der Trasse, die wohl Viehzüchtern gehören.
Es gibt aber auch ein Gebiet, in dem das Grundwasser nur 2..3m tief liegt. Dort steht in ausgehobenen Gruben algengrünes Wasser
und Baumwollfeldern säumen die Bahnstrecke.
Neben den Rindern tauchen ab und zu auch Antilopen, Pfaue und sogar paar Wildschweine auf. Auch wenn sich das Bild über die Zeit kaum wandelt, ist der Blick aus dem Fenster nicht langweilig. 
Und fast über die ganze Zeit hab ich bestes UMTS Netz. Wollte mir einen Film auf ARTE anschauen, die registrieren aber, daß ich in Indien sitze und ich bekomme den Hinweis " nicht außerhalb der EU"... Dann YouTube  ich halt.....
Als Jaisalmer endlich erreicht ist, sind es, obwohl alle Ventilatoren laufen,  39 Grad im Abteil.
Die Wüstenstädte schmücken sich gern mit ihren Farben, so gibt es eine Blaue und eine Rote Stadt. Jaisalmer  nennt sich "Die Goldene"  Grund ist der gelbe Sandstein, auf dem nicht nur das Fort, sondern auch alle anderen Häuser gebaut sind.
Das besondere der Baukunst der Stadt sind die Havelis, die Häuser mit Innenhof und bemalten Wänden und in den Sandstein geschnitzte Ornamente.  Für mich ist Jaisalmer die schönste der Städte in Rajasthan, zumal sie mit ihren 70.000Einwohnern auch noch übersichtlich ist.
Das Bild hab ich bei Wikipedia gefunden,  morgen gelingt mir bestimmt auch so einer Aufnahme.

Das schöne an der Stadt ist auch, daß das Fort und die Altstadt eine Einheit bilden und so auch das Fort heute noch bewohnt ist.


Abstriche gibt es für die vielen Kühe, die durch die Gassen ziehen und alles voll scheißen😟.
2..3 Tage werd ich wohl bleiben, zumal ich mein Zimmer von 800 auf 350rs runter gehandelt habe und das  in der Woche des Lichterfestes Divali.😁

Es ist schon tiefste Nacht als ich endlich beginne mein GH in den Gassen zu suche.

Die Stadt hat zur Zeit ein Problem mit einer kleinen Mottenart. War erst etwas sauer, als überall mit einer Nebelkanone irgendwelche  Insektizide versprüht worden. 
Jetzt klettert im Minutentakt so ein Viech über mein Gesicht.


So. 20.Okt. Umrundung der Wüstenstadt
Obwohl mein Fitness Armband mir für letzte Nacht einen "ziemlich guten Schlaf"  einreden will, bin ich doch eher kaputt.  Kurz nach 7 hoffe ich, daß die Sonne die Ostseite des Forts noch mehr vergoldet, aber mehr als ein staubgraues Licht kommt bisher hier unten nicht an. Will heute mal die Stadt umrunden, eher eine leichte Tour. Da zur Zeit noch keine Touristen da sind, fehlen auch die aufdringlichen Händler und Rikschafahrer.

Noch gehört der  Jain-Tempel den Priestern, bevor in paar Stunden auch Touris hinein dürfen
Dafür fegen überall die Frauen den Müll vor den Häusern weg oder spülen die Kuhfladen in die offene Kanalisation. 

Die etwas geräumigenen Häuser stehen in Nordteil der Stadt, danach geht es aber ohne Übergang in die Slums von Jaisalmer. Slum ist vielleicht nicht ganz richtig, den die Familien leben zwar in einem Einraum-Haus , dass steht aber innerhalb einen kleine Hofes umgeben von einer mannshohen Mauer.


Zu Divali werden die Häuser heraus geputzt. In der Stadt reicht es mit Wasser und Seife den Staub des letzten Jahres herunter zu waschen.
Die Lehmhütten der Armen und deren umgehenden  Lehmmauern bekommen eine neue Schicht Lehm-Dung, fein säuberlich mit der Hand verschmiert


und danach einen neuen Kreide- Farbanstrich.
Wenn die Zeit und das Geld noch reicht, vielleicht noch ein schönes Bild von Hanuman oder wenigstens ein "Happy Divali 2019".
Dazwischen überall verfallene Hütten voller Müll und Kackhaufen.. Zähle gerade mal  zwei öffentliche Wasserhähne. Das Wasser zu holen ist die Aufgabe der jungen Mädchen.
Obwohl es in Indien überall staatliche Schulen gibt, bis hierher sind sie nicht vorgedrungen. So bin ich die ganze Zeit von einem Schwarm Kinder umringt. Über die Kinder komme ich in die Hütten und zu süßen indischen Tee.


Die frische Chapati lehne ich dankend ab, weniger wegen der Sauberkeit. Bin nicht hier, daß sie  noch das wenige zu Essen mit mir teilen. Ein Mann arbeitet als Kamelführer bei Touri Safaries und spricht etwas Englisch.  Sein Verdienst, den er von den Touren Anbietern bekommt sind 200rs/Tag (2,50Eur). Noch wartet er vergebens auf den heutigen Auftrag...

Natürlich betteln mich Kinder und Frauen an und das "No money" fällt mir  nicht immer leicht. Je weiter es aus der Stadt geht, desto ärmlicher werden die Hütten. Hier draußen entledigt sich die Stadt auch ihren Müll.
Auch der wird nochmal von den Frauen (und Hunden)  durchsucht...
Komme an einem der beiden Wasserstellen mit pakistanischen Flüchtlingen ins Gespräch. Sie sprechen viel besser English als die Inder hier im Slum. Die ältesten sind leben seit 1989 hier, die "Neuen" erst seit 2 Jahren. Es sind Hindus aus Pakistan und diese bekommen ziemlich schnell ihre indische ID-card. Trotzdem fühlen sie sich auch hier ausgegrenzt.
Ihr Traum: Kanada oder Europa. Das was ich ihnen von meinen Kashmir Erfahrungen erzähle, ist ihnen neu. Sie kennen nur die  offizielle Version der durch Modi-Medien verbreitete Kashmiri  = Terroristen Geschichte.
Wir sitzen über eine Stunde zusammen. Zum Schluss waren bestimmt 20 Pakistanies in dem kleinen Raum und jeder will etwas von mir wissen...
Hinter dem Slum beginnen Jaisalmer Sandsteinbrüche.  Das ist (neben dem Tourismus) die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. Der Sandstein wird nicht nur gebrochen. Zig Steinsägen  schneiden ihn in alle Größen
und Steinmetze schnitzen anschließend die lokalen Muster hinein.

Mich würde es nicht wundern, wenn so manche Fensterbank in unseren Bauhäusern von hier kommt.



Seit dem ich im GH zurück bin kein Strom.  Wenigstens der Deckenventilator wäre schon gut. Im dunkeln finden die Motten von gestern aber auch nicht meine Lampe an der Decke...

.. Strom ist da...
Unter der inzwischen dicken Hornhaut meiner Füße wachsen 5 Blasen und wollen mich ärgern. Habe mir heute abend an einem Dornenbaum die Hand aufgerissen. Sieht aber schlimmer aus als es schmerzt. Eine Sehne am rechten Knie ist da schon aufdringlicher- inzwischen auch schon über Nacht. Den Sonnenbrand, den ich mir aus Zanskar mitgebracht habe, pellt sich langsam von der Nase und Kopfhaut. Dafür war ich gestern beim Frisör und gehe wieder als zivilisierten Westeuropäer durch. Alles in allem bisher also keine größeren Ausfälle.





Mo. 21.Okt

Hatte es schon gestern abend gemerkt.  Eine Erkältung, wohl von der Aircon im Bus hat mich erwischt. Aber einfach im Bett bleiben, dazu ist mit die Reisezeit zu wertvoll. Schon schleppe ich mich noch einmal durch die Stadt. Die schönste Hawela steht nicht im Fort. In der Oberstadt ist eine ganze Straße voll mit den geschnitzten Fassaden und Balkonen

.... Schon ein ganzes Stück außerhalb fragen mich paar Männer, -völlig untypisch- ob ich Local music  mag. Kein Laden in der Nähe, in dem sie etwas verkaufen wollen. Es ist eine Band, die zu Hochzeiten, aber auch für Touristen spielt.  
Sie wollten gerade anfangen zu üben. So sitze ich in einem dunklem Raum, trinke Tee und bekommen ihre schmachtenden Wüstenlieder  gratis.
Einer macht dazu immer wieder  mit der Unterlippe ein schwabbelndes Geräusch. Soll wohl ein Kamel sein...
Am Nachmittag finde ich den echten Markt der Wüstenbewohner.








Die Frauen mit großen Nasenbroschen und Armreifen mit einem bis 10cm langen Bolzen daran. Hier gibt es keine Touri Artikel, sondern das was in der Wüste gebraucht wird (Getreide, Schmiedewaren und dazu Schmuck für Mann und Frau).





 
Ist etwas schwierig diese echten Wüstenbewohner zu fotografieren, dafür sind die Motive um so besser.
Im Süden gibt es einen kleinen See mit paar Tempeln am und im Wasser.
Das beste daran ist aber die etwas frischere Luft.
Habe mir vom GH ein Bus ticket für heute Nacht nach Ahmahabad besorgen lassen. Bin ich froh, als ich endlich auf meiner Schlafliege umfalle.

Kommentare